Brotlaibidole in der Vitrine

Was macht der Goldschmied am Sonntag?

Ins Museum gehen.

Mein Sohn hat mir zu Weihnachten einen gemeinsamen Besuch im Museum geschenkt. Und da im Archäologischen Museum eine Ausstellung ist, die zum Code knacken einlädt, dachte ich, das ist eine Ausstellung, bei der er Spaß hat.

Es geht um Brotlaibidole.
Brotlaib- was?
Ja. Brotlaibidole.

Es sind handtellergroße Stücke aus gebranntem Ton, die an einen Handschmeichler erinnern. Sie haben noch kein öffentliches Interesse geweckt. Keiner weiß, wozu sie gut sind. Sie finden sich in ganz Europa, verbreitet wohl an den Flussläufen entlang. Viele liegen undokumentiert in den Magazinen von Museen, als Beifang sozusagen. Und das Archäologische Museum in Frankfurt/Main hat eine Ausstellung organisiert, bei der so ziemlich alle gefundenen Brotlaibidole zusammengetragen wurden.

Wenn einer den Code knacken kann, dann mein Sohn – so dachte ich.

Brotlaibidole aus Südbayern. | ©AMF; Foto: Wolfgang David
Brotlaibidole aus Südbayern. | ©AMF; Foto: Wolfgang David

Brotlaibidole: Archäologie zum Mitmachen und meine Theorie dazu

Das Archäologische Museum präsentiert also in einem eher kleinen Raum mit „Aenigma 2.0“ alles was es zu Brotlaibidolen zu sagen und zu sehen gibt. Funde aus der Bronzezeit. Datiert an Keramiken und Waffen, die bei Auffinden der Stücke die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatten. Zuerst wurden sie in Ungarn 1860 gefunden, später überall in Europa mit einer Art Schwerpunkt rund um den Gardasee. Die seltsamen Rätselsteine waren über 150 Jahre eher uninteressant. Und diese kleinen Objekte aus gebranntem Ton, versehen mit Löchern und Furchen, geben Wissenschaftlern bis heute Rätsel auf. Ihre Funktion bleibt unklar, und wie gesagt, die Ausstellung fordert Besucher dazu auf, eigene Theorien zu entwickeln.

Beim Anblick der Brotlaibidole entstand sofort meine Vermutung.

Aber ich wollte den Mund halten, es ist ja absurd, dass ich weiß, was so viele andere nicht entdeckt haben.
Es hat nicht geklappt.

Ich fragte schon an der ersten Vitrine: „Hat das mal ein Goldschmied angesehen? Sie könnten als Werkzeuge für Goldschmiede gedient haben.“
Mund halten war nicht, der Ausstellungsführer und ich standen vor jeder der Vitrinen und überlegten, ob die Theorie stimmen könnte. Der Ausstellungsführer fand die Idee so interessant, dass er mich an die Museumsleitung verwies.

Hier erkläre ich, was meine Theorie ist.

Die Resonanz führte schließlich zu einer Einladung zu einem Symposium am 6. März 2025, bei dem ich meine Theorie dem Fachpublikum für Brotlaibidole präsentierte. Es waren alle eingeladen, die zu Brotlaibidolen forschen. Experten und Expertinnen aus ganz Europa, die auf Italienisch, Englisch, Deutsch oder in ihrer Landessprache einen Vortrag hielten.

Dr. Wolfgang David, Direktor des Archäologischen Museums, führte durch die Veranstaltung, der Generalkonsul Massimo Darchini (Consolato Generale d’Italia, Francoforte sul Meno) war ebenfalls anwesend, da die Ausstellung unter seiner Schirmherrschaft steht.


Und diese Experten bestätigten mir, dass meine Annahme weitere Untersuchungen verdient.

Meine Theorie zur Verwendung der Brotlaibidole

Die Löcher in den Brotlaibidolen wurden vermutlich mit Malvensamen geformt, während die Furchen durch gezielte Bearbeitung entstanden. Die ovale Form der Objekte ermöglicht unterschiedlich lange Vertiefungen, die mit einer Mischung aus wahrscheinlich Bienenwachs und z. B. Ruß ausgefüllt werden könnten. Während das Wachs aushärtet, kann es aus der Form gelöst werden und rollt sich durch die Form des Brotlaibidols zu einem Ring auf.

Brotlaibidole in der Vitrine
Siebe zum Sieben von z.B. feinem Sand

In einem weiteren Schritt bettet man diesen Wachsring in fein gesiebten Sand ein. Der Sand muss durch Lehm in Form gehalten werden, denn das Wachs, mit einem Gußkanal versehen, wird aus dem Sand ausgeschmolzen. Der feine Sand hat jetzt eine Hohlform, die dem Wachsring entspricht und kann durch den Gusskanal mit heißer Bronze (oder anderen Metallen) gefüllt werden – eine frühe Form des Sandgusses. Gießen mit einer verlorenen Form. Der mit Sand gefüllte Lehm muss zerstört werden, um an die gegossenen Stücke zu kommen. Aber die Wachsformen können durch die Brotlaibidole beliebig häufig reproduziert werden.

Gießen konnten die bronzezeitlichen Handwerker, steckt ja im Namen. Die Gussformen aus Stein waren zusammen mit gegossenen Bronzestücken ausgestellt. Auch Siebe und sogar die Öfen waren in der Ausstellung zu sehen.

Bronzeguß in steinernen Formen

Sogar die Auffindesituation der Brotlaibidole stützt meine Theorie. Es gibt sowohl Einzelfunde als auch Hortfunde. Die Einzelfunde waren häufig Grabbeigaben. So eine Grabbeigabe würde ich mir auch wünschen, wenn ich bronzezeitlicher Handwerker gewesen wäre. Und die Hortfunde? Ich vermute, die Handwerker haben ihr Werkzeug schnell vergraben, wenn sie einen Angriff auf ihre Siedlung befürchteten. Wenn es gut ging, haben sie das Werkzeug wieder ausgegraben, wenn nicht, dann wurde das zu einem Hortfund.

Fazit

Die Vorstellung, diese rätselhaften Objekte könnten ein Goldschmiedewerkzeug (ich liebe gutes Werkzeug und alte Techniken!) gewesen sein, fasziniert mich. Ich bin gespannt, wie es mit der Theorie weiter geht. Vielleicht komme ich ja in den Genuss mal die Arbeit mit Repliken sehen oder gar ausführen zu können.


Mein Sohn war ziemlich stolz auf seine Mutter und ist auch zu dem Symposium mit nach Frankfurt gekommen 🙂 Codes wird er weiter am Computer schreiben, die Codes in Museen will er mir überlassen.

Da versuche ich mal dran zu bleiben.

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